Die Brücke: Unterschied zwischen den Versionen
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Welche Einrichtungen der alten Gesellschaft können diese Aufgabe wahrnehmen? Das kann vielleicht der Sozialstaat sein. Er ist in der Lage, Reichtum – im alten Sinne – umzuverteilen. Er erfüllt bisher eine Doppelfunktion. Zum einen ist er Reaktion auf die erfolgreichen Kämpfe der Arbeiterbewegung und zum anderen ermöglicht er den Massenkonsum, der geholfen hat die bisher größte Krise des Kapitalismus in den 20er bis 40er Jahren des zwanzigsten Jahrunderts zu überwinden. In der sich verschärfenden aktuellen Krise wird nun der bisherige paternalistische Sozialstaat durch den sogenannten „aktivierenden“ Sozialstaat abgelöst. Beide Modelle taugen offensichtlich nicht für unseren Zweck, und beide Modelle taugen auch nicht dafür, die Krise zu bewältigen, wie immer klarer wird. | Welche Einrichtungen der alten Gesellschaft können diese Aufgabe wahrnehmen? Das kann vielleicht der Sozialstaat sein. Er ist in der Lage, Reichtum – im alten Sinne – umzuverteilen. Er erfüllt bisher eine Doppelfunktion. Zum einen ist er Reaktion auf die erfolgreichen Kämpfe der Arbeiterbewegung und zum anderen ermöglicht er den Massenkonsum, der geholfen hat die bisher größte Krise des Kapitalismus in den 20er bis 40er Jahren des zwanzigsten Jahrunderts zu überwinden. In der sich verschärfenden aktuellen Krise wird nun der bisherige paternalistische Sozialstaat durch den sogenannten „aktivierenden“ Sozialstaat abgelöst. Beide Modelle taugen offensichtlich nicht für unseren Zweck, und beide Modelle taugen auch nicht dafür, die Krise zu bewältigen, wie immer klarer wird. | ||
− | Befreiender Sozialstaat | + | ===Befreiender Sozialstaat=== |
Es braucht also ein neues Sozialstaatsparadigma. Nennen wir es „befreiender Sozialstaat“. Dieser soll zwei wesentliche Eigenschaften haben: Er soll die engagierten Armen reich machen und er soll die Krise des Kapitalismus abfedern. | Es braucht also ein neues Sozialstaatsparadigma. Nennen wir es „befreiender Sozialstaat“. Dieser soll zwei wesentliche Eigenschaften haben: Er soll die engagierten Armen reich machen und er soll die Krise des Kapitalismus abfedern. | ||
− | Noch eine kritische Masse | + | ===Noch eine kritische Masse=== |
Auch zur Durchsetzung dieses Modells braucht es eine kritische Masse. Diese könnte bestehen aus den Menschen, die aus den hier geschilderten Gründen dafür sind. Das sind vor allem die Engagierten. Deren kritische Masse ist ja aber aus den oben geschilderten Gründen nicht in der Lage, die Transformation direkt zu erreichen. Die Engagierten benötigen also einen weiteren Bündnispartner. | Auch zur Durchsetzung dieses Modells braucht es eine kritische Masse. Diese könnte bestehen aus den Menschen, die aus den hier geschilderten Gründen dafür sind. Das sind vor allem die Engagierten. Deren kritische Masse ist ja aber aus den oben geschilderten Gründen nicht in der Lage, die Transformation direkt zu erreichen. Die Engagierten benötigen also einen weiteren Bündnispartner. | ||
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===Die Klugen=== | ===Die Klugen=== | ||
Aktuelle Version vom 11. August 2012, 15:28 Uhr
Dieser Text besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil werden Vorraussetzungen genannt unter denen die weitere Argumentation sich entfaltet. Das sind sehr weitgehende Vorraussetzungen über die Natur von gesellschaftlichen Transformationen, die sicherlich nicht jeder teilt. Es ist jedoch nicht zwingend so, dass der Rest des Textes bedeutungslos wird, sobald man diese Vorraussetzungen nicht teilt, es geht vielmehr darum den Hintergrund der Argumentation deutlich zu machen.
Im zweiten Teil wird das eigentliche Argument entwickelt. Hier wird gezeigt, was nötig ist um eine gesellschaftliche Transformation im Sinne des ersten Abschnitts voranzubringen.
Im dritten Teil schließlich wird als ein Beispiel einer Maßnahme, die in diesem Sinne wirken würde das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert. Weitere Maßnahmen sind nötig und wünschenswert aber nicht im Fokus dieses Textes.
Inhaltsverzeichnis
Vorraussetzungen
Transformation
Die befreite Gesellschaft kann nur geschaffen werden in einer ebenso radikalen wie pragmatischen, ebenso lokalen wie globalen Transformation. Diese Transformation benötigt ebenso einen langen Atem der kleinen Schritte, wie sie in historisch einmaligen Situationen große Schübe vorwärts machen muß. Die alte Frage nach „Reform oder Revolution?“ ist somit gegenstandslos.
Diese Transformation hat kein Ende, keinen nur einmal zu erreichenden Zustand, nachdem keine weiteren Überlegungen mehr nötig sind. Sie ist viel eher ein Weg als ein Ziel.
Herrschaft
Wer von Befreiung redet, kann von Herrschaft kaum schweigen: Herrschaft funktioniert in vielfältigen Feldern und in drei Modi<ref name="Herrschaft ausmachen">Der hier dargestellte Ansatz ist inspiriert von dem Text "Herrschaft ausmachen" der Gruppe "Schöner leben Göttingen". Dort werden allerdings nicht drei Modi, wie Herrschaft funktioniert, sondern nur drei Perspektiven, wie man sie erkennt, genannt</ref>. Sowohl Herrschaftsfelder als auch Herrschaftsmodi bedingen sich gegenseitig. Es gibt nicht das eine hervorstechende Herrschaftsfeld und auch nicht den einen hervorstechende Herrschaftsmodus. Im Gegenteil könnte kein Herrschaftsmodus ohne die anderen Modi existieren und kein Feld ohne andere Felder.
Bekannte Beispiele für Herrschaftsfelder sind: Kapitalismus, Patriarchat, Rassismus und die Herrschaft von Eltern und Staat gegenüber Kindern. Es gibt jedoch auch noch viele andere Felder auf denen Herrschaft wirkt, viele womöglich auch noch gänzlich unentdeckt.
Herrschaft wirkt in drei Modi. Sie wirkt individuell, also auf der Ebene persönlicher - oft auf die eine oder andere Art gewaltförmigen - Interaktionen zwischen Menschen. Sie wirkt ausserdem im Modus von gesellschaftlichen Institutionen und schließlich im allgemeinsten Modus einer gesellschaftlich wirksamen Struktur, die weder von einzelnen Individuen noch von einzelnen Institutionen direkt beeinflußbar ist. Das ist jedoch nicht zu verstehen im Sinne einer Hierarchie. Alle drei Modi bedingen sich gegenseitig. Für das Beispiel des Herrschaftsfeldes Kapitalismus: Nur weil es einzelne Kaufakte gibt, gibt es einen Markt, nur weil es den Markt gibt, gibt es den Wert, nur weil es den Wert gibt, gibt es Kaufakte und Markt (und alles umgekehrt). Oder für das Beispiel Patriarchat: Nur weil es Patriarchen gibt, gibt es die Ehe, nur weil es die Ehe gibt, gibt es Geschlechteridentitäten (und wieder alles umgekehrt und durcheinander).
Dennoch hat der Modus der Struktur eine Sonderstellung. Nicht in dem Sinne, dass er der alleine deteminierende oder auch nur irgendwie "mächtigere" wäre. Seine Sonderstellung bedingt sich dadurch, dass er der einzige Modus ist, der nicht durch individuelles oder kollektives - in jedem Falle aber bewußtes - Handeln direkt beeinflußbar ist. Daraus folgt vor allem, daß jeder Versuch einer Transformation immer in beiden beeinflußbaren Modi, der individuellen und der institutionellen Ebene funktionieren muß um wirken zu können. Daraus folgt außerdem, daß man insbesondere auf die indirekten Auswirkungen einer individuellen Handlung oder einer institutionellen Maßnahme auf den Strukturmodus ein besonderes Augenmerk legen sollte, da dieser ja eben nur so überhaupt beeinflußbar ist.
Keimformen
Diese Transformation kann nur durch die hier und heute keimförmig vorhandenen Praktiken geschehen, die immer noch im Alten sind aber immer auch auf der Suche nach dem Neuen. Damit sind sie notwendig widersprüchlich, weil aus den Widersprüchen des Alten gespeist. In ihrer Ausweitung müssen sie sich aber selbst noch radikal transformieren, weil es keine moralische oder intellektuelle Setzung einer „schlechten Utopie“ geben kann. Jede solche Setzung würde der Transformation entgegenwirken anstatt zu ihr beizutragen. Statt dessen ist eine Vielzahl von Experimenten nötig, durchaus auch mit einem utopischen Blick nach vorne, solange nicht versucht wird den Nicht-Ort der Utopie zu einem Ort zu machen.
Mittel und Zweck
Ebenso gibt es kein Mittel, das durch den Zweck der Transformation geheiligt wird. Das bedeutet, dass die Mittel der Transformation immer schon die Mittel der befreiten Gesellschaft sein müssen (zumindestens soweit das zum erreichten Stand der Transformation möglich ist). Für Tolkien-Fans: Man kann den Ring nicht gegen die Macht verwenden.
Bedürfnisse und Fähigkeiten
Die zentrale Richtschnur, die auch immer schon im „noch nicht“ der befreiten Gesellschaft gelten muß ist die alte Formel von „jedem nach seinen Bedüfnissen, jeder nach seinen Fähigkeiten“. Es ist klar, dass das erst im Ziel voll wirksam werden kann, ebenso klar muss aber sein, dass jede Handlung und jede Praxis, die in diesem Sinne ein Schritt zurück ist, nicht im Sinne der Transformation ein Schritt vorwärts sein kann. Damit verbieten sich alle autoritären, totalitären und pädagogischen Phantasien.
Selbstentfaltung
Eine weitere zentrale Richtschnur ist daran angelegt das Prinzip der Selbstentfaltung im Sinne einer Selbstentfaltung, die immer die Bedingung und Ermöglichung der Selbstentfaltung der anderen ist, wirken zu lassen. Es wird die These vertreten, dass dieses Prinzip alleine schon ausreicht, um alle Bedürfnisse zu befriedigen. Sicher können wir jedoch nicht sein und zumindestens wärend des Prozesses der Transformation wird es noch nicht so sein.
Das Argument
Die engagierten Reichen
Träger der Keimformen ist eine engagierte Minderheit. Zur Zeit ist es noch eine sehr kleine Minderheit engagierter Reicher. Reich sind sie im doppelten Sinne, zum einen sind sie reich im Sinne der bestehenden Gesellschaft, sprich sie haben die Zeit und die Mittel ihrem Enagement zu folgen. Zum anderen sind sie aber auch schon reich im Sinne der befreiten Gesellschaft, weil sie in einem Umfeld Leben und gelebt haben, das den Gedanken an Selbstentfaltung nicht schon immer im Keim erstickt hat.
Kritische Masse
Um die Transformation in eine befreite Gesellschaft zu schaffen, braucht es eine kritische Masse an Menschen. Das muss nicht die Mehrheit sein, aber es kann auch keine verschwindende Minderheit sein. Die Minderheit engagierter Reicher ist unter den herrschenden Bedingungen notwendig zu klein um eine kritische Masse darzustellen, das erklärt sich schon alleine daraus, dass jedes System eine gewisse Toleranz gegenüber Abweichungen verkraften muss um überhaupt länger als einige Tage überleben zu können.
Diese kritische Masse ist dabei nicht nur quantitativ sondern vor allem auch qualitativ gemeint. Um die Transformation zu schaffen kann nicht nur eine bestimmte Art von Leuten (hier also die engagierten Reichen) beteiligt sein. Es braucht ein weites Feld an unterschiedlichen Perspektiven auf die Welt. Diese können nur aus ganz verschiedenen sozialen Positionen heraus gewonnen werden.
Die engagierten Armen
Die Minderheit der engagierten Reichen benötigt dazu die Unterstützung einer anderen Minderheit, den engagierten Armen. Diese sind arm in einem von zwei Sinnen. Entweder sind sie arm im Sinne der alten Gesellschaft, das heisst, sie haben nicht die Zeit oder die Mittel sich zu engagieren; oder sie sind arm im Sinne der neuen Gesellschaft, das heisst, sie leben oder haben gelebt in einem Umfeld, das den Gedanken an Selbstentfaltung schon immer im Keim erstickt hat und jegliche Formen von Macht- und Herrschaftsstreben gefördert und gefordert hat. Man kann durchaus reich in einem der beiden Sinne sein und dennoch arm, umgekehrt ist das viel schwieriger.
Engagement
Engagiert zu sein bedeutet, sich auch gegen Widerstände so zu verhalten, dass es zur Transformation beiträgt. Engagiert zu sein bedeutet nicht zwingend, im Bewusstsein des Wunsches zur Transformation und der Notwendigkeit der Transformation zu handeln. Bewusstheit des Handelns schadet aber meist nicht, und manchmal hilft es auch.
Wenn ein Bewußtsein hilfreich ist, dann wohl vor allem das der eigenen Eingebundenheit in die Verhältnisse und der notwendigen Widersprüchlichkeit des Engagements.
Schlußfolgerung
Es ist also nötig die engagierten Armen reich zu machen.
Kluft
Je näher wir der kritischen Masse kommen, um so mehr trägt sich der Prozeß der Transformation selbst. Um so mehr wird der Reichtum der neuen Gesellschaft entscheidend und der Reichtum der alten vernachlässigbar. Dennoch existiert eine Kluft, über die keine Brücke führt. Diese muß erst noch gebaut werden.
Diese Kluft existiert vor allem (aber nicht nur) im Modus der Struktur.
Brücke
Brücken baut man am geschicktesten von beiden Seiten. Man muß nur die halbe Spannweite zurücklegen und in der Mitte tragen sich die beiden Seiten dann selbst, wenn sie denn zusammenpassen. Die beiden Seiten der Brücke sind in diesem Bild der Reichtum der alten und der neuen Gesellschaft.
Der Reichtum der neuen Gesellschaft kann nur in den (keimförmig sich immer mehr ausbildenden) Formen der neuen Gesellschaft bereitgestellt werden. Hier ist vielfältiges Experimentieren nötig, und über die Gestalt dieser Seite der Brücke lässt sich jenseits der oben genannten leitenden Prinzipien (Selbstentfalung und Bedürfnisbefriedigung), die nicht mehr sind als die grobe Richtung der Brücke, wenig sagen.
Der Reichtum der alten Gesellschaft kann nur bereitgestellt werden in den Formen eben dieser alten Gesellschaft. Über deren Funktionsweise wissen wir eine ganze Menge und so kann man über diese Seite der Brücke vielleicht schon mehr sagen. Ebenso notwendig muß diese Seite aufgebaut werden in einer Form, die die Transformation nicht behindert (also zur anderen Seite passt). Es ist jedoch nicht notwendig, dass dies in einer Form geschieht, die die Transformation unterstützt (Das wäre ein bauen der Brücke über die Mitte der Kluft hinweg).
Die eine Seite der Brücke (die alte) wirkt dabei vor allem im Modus der Institutionen, die neue Seite der Brücke wirkt vor allem im Individuellen Modus. Der Brückencharakter zeigt sich dabei gerade dadurch, dass sich der jeweilige andere Modus verstärkt bemerkbar macht, je größer die Spannbreite wird. Individuelle Experimente werden umso tragbarer, je stärker sie institutionell verankert werden und institutionelle Experimente werden umso tragbarer von je mehr Individuen sie getragen werden.
Das Beispiel bedingungsloses Grundeinkommen
Sozialstaat
Welche Einrichtungen der alten Gesellschaft können diese Aufgabe wahrnehmen? Das kann vielleicht der Sozialstaat sein. Er ist in der Lage, Reichtum – im alten Sinne – umzuverteilen. Er erfüllt bisher eine Doppelfunktion. Zum einen ist er Reaktion auf die erfolgreichen Kämpfe der Arbeiterbewegung und zum anderen ermöglicht er den Massenkonsum, der geholfen hat die bisher größte Krise des Kapitalismus in den 20er bis 40er Jahren des zwanzigsten Jahrunderts zu überwinden. In der sich verschärfenden aktuellen Krise wird nun der bisherige paternalistische Sozialstaat durch den sogenannten „aktivierenden“ Sozialstaat abgelöst. Beide Modelle taugen offensichtlich nicht für unseren Zweck, und beide Modelle taugen auch nicht dafür, die Krise zu bewältigen, wie immer klarer wird.
Befreiender Sozialstaat
Es braucht also ein neues Sozialstaatsparadigma. Nennen wir es „befreiender Sozialstaat“. Dieser soll zwei wesentliche Eigenschaften haben: Er soll die engagierten Armen reich machen und er soll die Krise des Kapitalismus abfedern.
Noch eine kritische Masse
Auch zur Durchsetzung dieses Modells braucht es eine kritische Masse. Diese könnte bestehen aus den Menschen, die aus den hier geschilderten Gründen dafür sind. Das sind vor allem die Engagierten. Deren kritische Masse ist ja aber aus den oben geschilderten Gründen nicht in der Lage, die Transformation direkt zu erreichen. Die Engagierten benötigen also einen weiteren Bündnispartner.
Die Klugen
Schon in der ersten Durchsetzung des paternalistischen Sozialstaats gab es ein Bündnis zwischen den Engagierten und den Klugen. Der Kopf der Klugen hieß „John Maynard Keynes“. Dummerweise setzten sich mit diesem Bündnis die autoritären Tendenzen durch, wohl auch, weil auf Seiten der Engagierten manch Mittel dem Zweck geopfert wurde. Die heutigen Klugen sind anderer Natur. Auch für sie ist die Transformation kein Thema, aber dennoch praktizieren sie schon manches was auf dem Weg dahin nötig ist. Sie sind für Netzwerke und gegen (zu dolle) Hierarchien. Sie sind für Gleichberechtigung und gegen Rassismus und Sexismus. Sie sind für Globalität und gegen (manche) Grenzen. Sie sind risikobereit und sicherheitsbewußt. Und vor allem sind sie pragmatisch und ...natürlich... klug. Weil das so ist, sind sie in der Lage zu sehen, dass der Kapitalismus einen Sozialstaat braucht und dass die bisherigen Modelle gescheitert sind.
Newest Deal
Das wäre nun also der Deal zwischen Engagierten und Klugen: Wir bauen uns einen Sozialstaat der eben oben genannte zwei Eigenschaften hat. Zum einen erfüllt er das Bedürfnis der Engagierten nach einem Netz, das sie auffängt so lange ihre Experimente noch nicht tragen. Zum anderen erfüllt er das Bedürfnis der Klugen nach einer neuen Runde ohne Transformation. Bestandteil des Deals ist das gegenseitige Anerkennen der Möglichkeit, dass die andere Seite vielleicht – ganz vielleicht – doch recht hat. Beide Seiten haben ja dann die Möglichkeit ihr Modell weiter zu verfolgen und die – immer offene – Zukunft wird zeigen, wer am Schluss die besseren Karten hat.
Bedingungsloses Grundeinkommen
Das zentrale Paradigma des befreienden Sozialstaats wäre dann ein bedingungsloses Grundeinkommen. Es verschafft den Armen Reichtum im alten Sinne und ermöglicht den engagierten Armen mehr und mehr ihr Engagement zu leben und so zur Transformation und zur kritischen Masse beizutragen. Es sichert ausserdem die wichtigsten Basisbedürfnisse für die Zeit des Übergangs. Nur so haben die Engagierten den Freiraum, um in weiteren Schritten experimentell herauszubekommen – neben vielen anderen offenen Fragen – ob schon alleine die Selbstentfaltung ausreicht, um die gesellschaftlichen Bedürfnisse zu befriedigen oder ob noch weitere ergänzende Prinzipien gefunden werden müssen.
Ausserdem schafft es eine Möglichkeit, dass der Kapitalismus noch eine Weile weiterwurschteln kann.
So nicht
Eine an Bedingungen geknüpfte „Grundsicherung“ leistet das Geforderte nicht. Auch nicht eine an die Bedingung des Engagements geknüpfte Grundversorgung. Dies deswegen, weil nur ein bedingungsloses Grundeinkommen das Vertrauen bereitstellt, das nötig ist, um sich selbst zu entfalten. Und wie oben geschrieben, ist Selbstentfaltung das zentrale Mittel der Transformation. Nur so können Nichtengagierte zu Engagierten werden und Engagierte engagiert bleiben. Dennoch sind womöglich auch solche Formen zumindestens ein Weg zum Weg.
Es wird auch nicht funktionieren – oder zumindestens ein viel längerer, steinigerer und opferreicher Weg sein – die Brücke alleine zu bauen. Experimente brauchen Halteseile, weil Experimente nur funktionieren, wenn sie scheitern dürfen. Ohne vielfältige und riskante Experimente wird man den Reichtum der neuen befreiten Gesellschaft aber nicht finden können.
Baupläne
Natürlich ist zwischen den Klugen und den Engagierten nicht alles eitel Sonnenschein. Sie schließen ja nur ein Bündnis auf Zeit, da sie ganz unterschiedliche Ziele verfolgen. Die Klugen wollen den abbröckelnden Rand der Gesellschaft befestigen und so verhindern, dass das ganze Plateu namens „Kapitalismus“ in die Kluft rutscht. Das wäre ein „Kapitalismus mit menschlichem Antlitz“. Natürlich kann es den aus der Perspektive der Engagierten nicht geben, aber das werden die Klugen so schnell nicht einsehen – weil Klugheit alleine eben oft zuwenig ist.
Die Engagierten wollen die Brücke bauen. Beide Seiten können sich nur zusammenraufen, wenn die Klugen einsehen, dass die Randbefestigung als Basis zum Brückenbau funktionieren muss und die Engagierten einsehen, dass sich von einem bröckelnden Rand schlecht Brückenbauen lässt. Zudem werden beide Seiten merken, dass sie nur gemeinsam in der Lage sind, genügend Steine zusammenzusammeln.
Der Wichtigste Punkt der Auseinandersetzung wird sich um die Höhe des Grundeinkommens drehen. Die Klugen wollen es nur so hoch wie nötig, die Engagierten aber so hoch wie möglich. Ob eine Einigung möglich ist, wird sich zeigen. Nötig ist sie.
Disclaimer
Wenn hier von „den Armen“, „den Reichen“, „den Engagierten“ oder „den Klugen“ die Rede ist, so ist immer „der Arme“, „der Reiche“, „der Engagierte“ oder „der Kluge“ in uns allen gemeint. Es geht nur um die Darstellung gesellschaftlich wirksamer nur theoretisch individuell ausgeprägter Seinsweisen. Die Grenzen gehen heutzutage ja meist mitten durch uns durch.